Außergewöhnliche Bau- oder Umbauprojekte taugen oftmals als gutes Instrument fürs Regio-Marketing. Wenn also das Ruhrgebiet publiziert, das dort demnächst 50.000 Menschen in einer Ökostadt leben werden, wird neben der offensichtlichen Botschaft eine weitere transportiert: Das Ruhrgebiet — eine der europäischen Kulturhauptstädte 2010 — geht einen weiteren und wichtigen Schritt seines Wandels: weg von Kohle und Stahl (ohne Traditionen zu leugnen) und hin zur Moderne.
Ein Traumprojekt (nicht nur) für Bürgermeister
Die geplante Ökostadt könnte noch eine weitere Funktion erfüllen: Sie könnte als Beleg dafür dienen, dass Immobilienbestand auf wirtschaftliche Weise ökologisch umgebaut werden kann. Viele Bürgermeister von Ruhrgebiets-Städten mit etwa 50.000 Einwohnern dürften deshalb im Moment von kühnen Ideen träumen. Ihre Stadt könnte in der kommenden Dekade weit in die Zukunft der Stadtentwicklung katapultiert werden. Ab dem 22. März 2010 startet ein für sie wichtiger Wettbewerb. Mit ihm soll diejenige Ruhrgebietsstadt mit etwa 50.000 Einwohnern ausgewählt werden, die in den kommenden Jahren zur Ökostadt umgebaut wird. Laut Plan soll der Umbau den Kohlendioxidverbrauch in der Ruhrgebiet-Stadt um etwa die Hälfte senken.
Was ist geplant?
Um das Ziel zu erreichen, sollen bestehende Wohnimmobilien eine neue Wärmedämmung erhalten und möglichst Passivhausstandard erreichen. Industriebauten könnten passend umgebaut werden. Wärmepumpen, Windräder und Solaranlagen sind als Zusatz für die Energieversorgung geplant. Elektrostadtbusse sollen ältere Menschen kostenlos befördern und Elektro-Autos als Mietwagen zur Verfügung stehen. Die Maßnahmen für moderne Stadtentwicklung sollen jedoch nicht alleine auf den Energiesektor beschränkt bleiben. So sollen etwa Arbeiten wie das Absenken der Bürgersteige älteren Bewohnern das Leben in der Stadt vereinfachen. Letztlich kann damit der Traum einer sozialen Stadt mit ökologischer Relevanz realisiert werden. Möglicherweise werden dadurch auch nach der Zeit als Kulturhauptstadt Europas einige Blicke aus verschiedensten Teilen der Welt aufs Ruhrgebiet fallen.
Vorbild und Marketing-Maßnahme
Die Entscheidung, welche Stadt im Ruhrgebiet die auserwählte sein wird, soll im Oktober 2010 fallen. Der gesamte Umbau zur Ökostadt wird dann voraussichtlich zehn Jahre dauern. Das Land Nordrhein-Westfalen beteiligt sich zunächst mit 500.000 Euro. Für das Ruhrgebiet ist das Projekt die Chance, auch nach 2010 im Gespräch zu bleiben und weitere Schritte des Imagewechsels zu vollziehen. Das Herz der deutschen Industrie in Nachkriegstagen wird zum Motor für Innovation. Ökostadt-Projekte gibt es bereits mehrfach in der Welt. Masdar City in Abu Dhabi ist vielleicht die bekannteste Variante. Allerdings wird hier komplett neu aufgebaut. Die „Innovation City“ im Ruhrgebiet (so der Arbeitstitel des Projekts) besticht dagegen durch den Umbau von Bestandsbauten im großen Stil. Das macht das Ruhrgebietsprojekt einmalig. Und es könnte praktisches Know-how fördern, das sich für die Zukunft auch als Exportschlager aus dem Ruhrgebiet eignen könnte. Mit der geplanten Ökostadt wurde eine weitere Weiche auf der Strecke in Richtung Zukunft fürs Ruhrgebiet gestellt. Und wir warten gespannt, wohin sich die Region weiter bewegt.