Wer Mieten für Berliner Wohnungen mit denen anderer Städte vergleichen möchte, ist auf Zahlen und Statistiken angewiesen. Problematisch ist nicht, passende Zahlen zu finden. Problematisch ist deren Interpretation.
Zahlen sind objektiv, sagt manch einer und versorgt sich für eine Diskussion zu einem Thema mit passenden Statistiken. So bekommen Argumente Fundament. „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“ entgegnen dann Andere, verkennen dabei aber, dass seriöse und professionelle Statistiker durchaus wissen, was sie tun, versuchen Fehlerquellen aus ihren Untersuchungen auszuklammern und meist verlässliches Zahlenmaterial produzieren. Der Knackpunkt beim Umgang mit Statistiken ist nicht das Zahlenmaterial selbst, es ist die Interpretation des Zahlenmaterials. Ein fiktives Beispiel; Löhne sind 2006 um durchschnittlich 3%, 2007 um durchschnittlich 4% und 2008 um durchschnittlich 4,5% gestiegen. Spontan scheint eine solche Zahlenreihe zu taugen, um die Aussage zu belegen, dass es den Lohnempfängern 2008 besser ergeht als noch 2006. Aber welchen Wert hat die Aussage tatsächlich? Nehmen wir weiter an, wir würden die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten eines Jahres hinzunehmen und die wären 2006 um 2%, 2007 und 2008 aber um 5% gestiegen. Lägen all diese Zahlen auf dem Tisch; müssten wir nicht andere Aussagen treffen?
Kommen wir zum Immobilien – Markt, speziell zum Wohnungsmarkt in Berlin. Hier konterte der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin einen Leserbrief im Berliner Tagesspiegel, in dem Kritik an steigenden Mieten in Berlin geäußert wurde, mit Zahlen. Er nahm eine Standard – Wohnung mit 65 m2 Größe und verglich Durchschnitts-Mietpreise. Glauben wir dem vorgelegten Zahlenmaterial, so sind das 345€ Nettokaltmiete im Osten und 372€ Nettokaltmiete im Westen Berlins, während in Hamburg für denselben Typ Wohnung durchschnittlich 442€ und in München 637€ bezahlt werden müssen. Für Münchner Bürger würden sich dadurch — so Sarrazin im Tagesspiegel — um 70% höhere Kosten bei der Nettokaltmiete ergeben. Soweit, so gut: Münchner — so kann man die Zahlen interpretieren — haben also weitaus mehr an der Nettokaltmiete in ihrer Stadt zu tragen als Berliner. Schauen wir nach, ob das stimmt: Im Städteranking der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) und der Zeitschrift WirtschaftsWoche wurden Daten für 50 deutsche Städte ermittelt, unter anderem das Durchschnittseinkommen der Beschäftigten. Münchens Bürger verdienten 2007 durchschnittlich 33.529€ pro Kopf, während die Berliner pro Kopf durchschnittlich 23,195€ verdienten, also etwa 69% weniger. Auch der Verdienst hat natürlich Auswirkungen auf die Mietbelastung in einer Stadt und relativiert vielleicht manche Interpretation von Mietstatistiken?.
Nun lässt sich ausrechnen, wie viel Prozent des Jahreseinkommens für die jährliche Nettokaltmiete ausgegeben werden müssen. Für die jährliche Nettokaltmiete ergeben sich in München durchschnittlich 637 mal 12 = 7644€; das entspricht 22,8% des durchschnittlichen Jahreseinkommens Münchner Bürger und beweist, dass München tatsächlich — auch relativ gesehen — das teurere Pflaster ist; Ostberliner müssen durchschnittlich 17,85%, Westberliner 19,25% Ihres Jahreseinkommens für die Kaltmiete ausgeben. Für Hamburg mit einem Durchschnittsverdienst pro Kopf von 29.460€ ergibt sich jedoch eine jährliche Belastung durch die Nettokaltmiete von 17,89%, sodass Westberliner mehr für ihre Miete aufwenden müssen, Ostberliner kaum weniger. Zumindest einfacher als die Hamburger haben es Berliner Mieter also nicht unbedingt. Sicherlich sind auch unsere Zahlenspiele angreifbar, aber eins beweisen sie vielleicht dennoch: Die Macht der Zahlen wird beschränkt durch die Fehleranfälligkeit der Interpretation.